Blog Pfarrer Gerhold 15. Mai 2020

Grüß Gott! Heute vor 65 Jahren, am 15. Mai 1955 wurde im Schloss Belvedere in Wien der langersehnte „Staatsvertrag“ von den Außenministern der aliierten Staaten und dem Außenminister der jungen 2. Republik Österreich, Ing. Leopold Figl, unterzeichnet: „Österreich ist frei!“ Der legendäre Ausspruch von Figl, nachdem er seine Unterschrift zuletzt unter das dicke Dokument gesetzt hatte, fehlt in keiner entsprechenden Schilderung und Dokumentation.
Meine Generation (1958) ist im Geist dieses Vertrages und in der politischen Relevanz der Erklärung der immerwährenden Neutralität der Republik Österreich vom 26. Oktober 1955 aufgewachsen.
Das hat meiner Generation viele Möglichkeiten des Lernens, des politischen Diskurses, auch des Protests (Anti-AKW-Bewegung, entwicklungspolitische Initiativen, Friedensbewegung, Hainburg, Waldheimaffaire) gegeben und wir haben diese auch genützt! Das Erwachen der freien Kulturszene, besondere intellektuelle Impulse wie von Friedrich Heer oder Erwin Ringel, das Erwachen feministischer Initiativen bis hinein in die Theologie (das ist jetzt mein Fachgebiet) haben das Denken geprägt.
Auch die Kirchen, besonders die Evangelischen Kirchen, haben mit dem Staatsvertrag und den daraus folgenden Gesetzen wie dem Protestantengesetz von 1961 und dem Feiertagsruhegesetz (in dem der Karfreitag den evangelischen Kirchen ausdrücklich als Feiertag zuerkannt wurde!) eine ganz neue Wertigkeit in der religiösen Landschaft Österreichs bekommen.
Aus all diesen genannten Impulsen und Erfahrungen war und ist der 15. Mai für mich ein ganz persönlicher Feiertag. (Ich überlege, mir diesen Tag, in Anlehnung an die derzeitge Karfreitagsregelung, als eigenen persönlichen Feiertag zu nehmen. Selbst wenn dafür ein Urlaubstag draufgeht. Aber das nur nebenbei.)
Die demokratischen Prinzipien, auf denen Österreich steht und baut, sie sind es, die auch die Folgen des sich langsam wieder lösenden „LockDowns“ der vergangenen Monate bestimmen werden. Selbst wenn es dazu wieder eine zivilgesellschaftliche Bewegung braucht, die Veränderungen einfordert, einfordern muss. Da werde ich mich als Pfarrer der Evangelischen Kirche auch wieder engagieren. Weil mir Österreich am Herzen liegt. Als Teil einer solidarisch geprägten europäischen und Weltgemeinschaft.
Zum Diskurs: andreas.gerhold@evang.at