Blog Pfarrer Gerhold 28. April 2020

Mein Thema heute ist das Stichwort: „Verhältnismäßigkeit“. Ein langes Wort mit großem Bedeutungshorizont. Einer davon ist der juristische Bereich, von Verfassungsbestimmungen bis zum Strafrecht. Ein anderer z.B. das Baurecht, ein weiterer ist die Medizin. Der Bereich, der mich interessiert, ist Verhältnismäßigkeit im Sinn von: verglichen mit oder gemessen an etwas anderem (nach: Duden-Online).
Wie ich heute früh in der Bundespressekonferenz erfahren habe, gibt es eine neue Verordnung betreff des Besuchs von Caféhäusern und Gaststätten ab dem 15. Mai 2020. Ein ebenso erfreuliches Ereignis wie die Wiederaufnahme von Gottesdiensten! Aber das ist schon die derzeit einzige Gemeinsamkeit dieser beiden dringend notwendigen Öffnungen.
An diesem Punkt setzen auch meine Überlegungen an: für Gaststätten gibt es die Verordung, dass an einem Tisch vier erwachsene Personen plus Kinder sitzen dürfen, ohne MNS-Maske, der Abstand der Tische zueinander aber den Mindestabstand von einem Meter betragen muss. Im Kontakt zu den Gästen muss das Personal MNS-Masken oder diese Plexiglasvisiere tragen. Das freie Stehen an Theken ist nicht erlaubt. Voranmeldung ist daher empfehlenswert. So weit, so klar.
Jetzt setze ich diese Regeln in ein Verhältnis (im Sinn des oben genannten Begriffsverständnisses) zu den Regeln in den Kirchen (deren Raumgröße in vielen Fällen größer dimensioniert ist als die zu Caféhäusern): in den Kirchen braucht es nach heutigem Stand 10m2/Person, Mindestabstand 1 (besser:2) Meter, dazu das Tragen von NMS-Masken durch die Besucher*innen, nicht aber von den an der Liturgie beteiligten Personen (in Zeiten wie diesen meist Pfarrer*in). Gesungen soll nicht werden, weder liturgisch noch als Gemeindegesang. Musik darf aber sein.
Für die Kirche in Deutschlandsberg bedeutet das: 11,508 Personen/Gottesdienst, in Stainz sind es 11,612 Personen. Weil beide Zahlen über 11,5 liegen, wäre eine Rundung auf 12 Personen denkbar. Bei Umlegung der Regeln für Gaststätten und Caféhäuser sieht das Ergebnis schon anders aus (bei 1,5 Metern Abstand): für Deutschlandsberg sind es rund 20 Personen (in einem Haushalt lebende Personen könnten sogar ganz normal zusammensitzen: ergäbe im Schnitt 24 Personen), für Stainz sind es 24 Personen (beim Zusammensitzen von Personen aus einem Haushalt könnten es 30 sein).
Daher stellen sich mir Fragen, die ich vorerst einmal nur andeuten möchte: Wie kommt es, dass Kirchen anders bewertet werden als Caféhäuser und Gaststätten (die Verordnungen für Schulen habe ich jetzt einmal beiseite gelassen)? Gibt es unterschiedliche Bewertungen der Relevanz dabei? Sind Kirchen und ihrer Gottesdienste weniger bedeutsam?
Fragen, die ich Ihnen heute gerne zur gemeinsamen Überlegung mitgebe. Wenn Sie mir dazu schreiben möchten: gerne! andreas.gerhold@evang.at
Bischof Michael Chalupka hat seiner Mitteilung heute in der Früh den biblischen Leitvers vorangestellt, dem ich auch folgen möchte: aus dem 1. Buch der Chronik im Alten Testament, Kapitel 22, Vers 19: „So richtet nun euer Herz und euren Sinn darauf, den Herrn, euren Gott, zu suchen.“
Gott begleitet Sie auf diesem Weg!