Ein fröhliches und feierliches Fest: Ordination von Sabine Maurer zur Pfarrerin im Ehrenamt

Eine Premiere mit anschließender Feier – so lässt sich dieser besondere Sonntag, der 25. Mai 2014 auch beschreiben. Eine Premiere, weil die Ordination von Sabine Maurer die erste Beauftragung und Berufung (so versteht die Evangelische Kirche die Ordination) in den Dienst einer Pfarrerin (eines Pfarrers) in der 113jährigen Geschichte der Evangelischen Pfarrgemeinde Stainz-Deutschlandsberg darstellt und darüber hinaus das erste Mal zwei mit dem geistlichen Dienst beauftragte und berufene Personen Dienst tun.

IMG_6399Aber zur Bedeutung einer Ordination, insbesonders in den ehrenamtlichen Dienst darf ich Ihnen die Lektüre der Ansprache von Superintendent MMag. Hermann Miklas empfehlen, die er im Rahmen des Ordinationsgottesdienstes an Sabine Maurer und die versammelte Gemeinde gerichtet hat.

Der 25. Mai 2014 begann nicht erst an diesem Tag, sondern wesentlich früher. Schon ein Jahr zuvor, im Mai 2013, stellte Sabine Maurer den Antrag an das Presbyterium, ihrem Ansuchen um die Ordination ins Ehrenamt an den Evangelischen Oberkirchenrat zuzustimmen. Das Presbyterium hat dies erfreut getan, denn Sabine Maurer hat sich in ihren bisherigen Tätigkeiten in der Pfarrgemeinde als Religionslehrerin, als Koordinatorrin und Einladene des Frauenkreises II in Deutschlandsberg, als Organisatorin des Weltgebetstages der Frauen in Deutschlandsberg, als Gemeindevertreterin, Presbyterin, Kuratorin und ernannte Ehrenkuratorin schon mehrfach auch in der Gestaltung von Gottesdiensten, auch leitend, mitgewirkt.

So ist diese Ordination für sie eine logische Weiterentwicklung und die Erfüllung eines Wunsches schon seit Jungendzeiten, nämlich Pfarrerin zu sein. Superintendent Hermann Miklas hat dazu auch einiges in seiner Ansprache ausgeführt. Als nun zu Ende des Letzten Jahres der 25. Mai als Ordinationstermin feststand, haben wir auch als Pfarrgemeinde begonnen, diesen Festtag vorzubereiten, der in Stainz in der Friedenskirche, dem Pfarrgarten und dem Pfarrhaus begangen werden sollte. Das erstreckte sich von den Malerarbeiten in der ehemaligen Küsterwohnung im Pfarrhaus Stainz bis hin zur Bereitstellung entsprechender Sitzgelegenheiten für das geplante Gartenfest. An dieser Stelle auch ein herzlicher Dank an die Marktgemeinde Stainz für die Lieferung der dazu notwendigen Garnituren, Stehtische, Recyclingbehäter und mehr. Viele, viele Hände waren notwendig, auch ein leichtes, luftiges Gartenfest vorzubereiten. Der Gemeindevertretung ein herzliches Dankeschön für die treue und intensive Vor- und Nacharbeit! Mit ihrer Hilfe konnte es ein wirklich duftig-leichtes und gleichzeitig feierlich-fröhliches Fest werden.
IMG_6417In der vollständig besetzten Kirche begann um 10.00 Uhr der Gottesdienst, einbegleitet von einem Posaunenensemble der Musikschule Groß St. Florian zogen die Gemeindevertretung mit Kuratorin MMag Iris Peyrer, Ehrenkurator Fritz Kugler, Pfarrer Andreas Gerhold, die beiden Assistentinnen zur Ordination, Rektorin Mag. Christa Schrauf, Pfrn. Dr. Marianne Pratl-Zebinger, die zu ordinierende Mag. Sabine Maurer und Superintendent Hermann Miklas in die Kirche ein. IMG_6424Kuratorin Iris Peyrer begrüßte die Gemeinde und eröffnete den Gottesdienst. Pfr. Andreas Gerhold gestaltete den ersten Teil des Gottesdienstes und SI Hermann Miklas setzte diesen mit dem Hauptteil der Ordination fort. Neben den beiden Assistentinnen segneten Kur. Iris Peyrer, Pfr. Andreas Gerhold, die mir Sabine Maurer familiär verbundenen Pfarrer Dieter Lindheimer und Guy Balestier.IMG_6409

 

Nach dem schönen Lied „Wohl denen die da
wandeln vor Gott in Heiligkeit“ hielt Sabine Maurer als nun ordinierte Pfarrerin im Ehrenamt ihre erste Predigt von der Kanzel in der Stainzer Friedenskirche über den von ihr gewählten Predigttext aus dem Johannesevangelium, Kapitel 4, die Verse 28-30.39.41-42. (Anmk.: Die Predigt ist hier zum Nachlesen bereitgestellt.).

Sabine Maurer begleitete die Gemeinde liturgisch auch in den Schlussteil des Gottesdienstes.

Vor dem Segen konnte Frau Kur. Iris Peyrer auch einige Ehrengäste begrüßen: Herrn Bezirkshauptmann Dr. Helmut-Theobald Müller, den Bürgermeister von Georgsberg, Herrn Karl Bohnstingl, den Pfarrer der r.k. Pfarre Stainz, Msgn. Pfr. Mag. Franz Neumüller, Frau Pastoralassistentin Sylvia Treichler in Vertretung des Herrn Dechanten, den ehemaligen Superintendenten der Evang. Diözese Steiermark, Herrn Prof. Pfr. Mag. Ernst-Christian Gerhold, als Vertreter der jüdischen Gemeinde Graz Herrn Hofrat Dr. Heinz Anderwald und den Kurator der Evang. Pfarrgemeinde Voitsberg, Herrn Mag. Dietmar Böhmer. Bezirkshautmann Helmut-Theobald Müller und Pfr. Franz Neumüller hielten sehr persönlich gestaltete Grußworte an Sabine Maurer und die feiernde Gemeinde.

Kuratorin Iris Peyrer und Pfr. Andreas Gerhold durften dann Sabine Maurer zwei Geschenke überreichen: eine Stola als Ergänzung zum schwarzen Talar in den Farben des Kirchenjahres und einen kleinen „Versehkoffer“ zur Feier des Heiligen Abendmahls im kleinen Kreis und in ihrem seelsorgelichen Dienst.

Mit einer Paraphrase der bekannten Weihnachtsgeschichte nach Lukas 2 auf diesen so festlichen Tag leitete Pfr. Andreas Gerhold die Geschenkübergabe ein. Sie können sie hier nachlesen.

Mit dem Schlussegen, den Sabine Maurer der Gemeinde zusprach, endete der Gottesdienst und die Gemeinde zog fröhlich gestimmt, begleitet vom Posaunenensemble, aus der Kirche zum Gartenfest.

Unserer Organistin Kathrin Diwiak auch vielen lieben Dank für die Begleitung des gottesdienstlichen Gesangs und der Liturgie an der Orgel!

 

 

Das Gartenfest war, wie wir es uns schon in der Vorbereitung augemalt hatten: duftig, lebendig, fröhlich und sehr kommunikativ. Sehen Sie sich einfach die Bilder dazu an!

Zum Fest durften wir dann noch begrüßen: den Dechanten Pfr. Mag. Fritz Trstenjak aus St. Stefan/St. Josef und Pfr. Istvan Holló aus dem Pfarrverband Deutschlandsberg-Frauental. Beide hatten am Vormittag ihren eigenen liturgischen Dienste in den Pfarren zu versehen.

 

IMG_6440

IMG_6471Das Vorbereitungsteam wandelte sich dann zum Nachbereitungsteam: im Nu waren nach dem Fest alle dafür hergeräumten Untensilien verstaut, gestapelt, an die richtigen Plätze zurückgelegt und blitzblank aufgeräumt. Vielen Dank an diese Hände alle, auch an die der Kinder, die mit viel Liebe den Bumenschmuck für die Tische gerichtet haben und beim Gartenfest im Buffet mitgeholfen haben.

 

 

Ein Festtag, der uns lange in Erinnerung bleiben wird !

Andreas Gerhold

 

 

IMG_6486P1000721P1000730P1000729P1000727P1000723P1000721P1000717P1000715

 

 

 

 

 

 

 

 

 

P1000703P1000699IMG_6486

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Paraphrase der Weihnachtsgeschichte aus Lukas 2 zum Fest der Ordination zur Pfarrerin im Ehrenamt von Frau Mag. Sabine Maurer

Es begab sich aber zu der Zeit, da ein Gebot des Oberkirchenrates ausging, dass Sabine Maurer zur Pfarrerin ins Ehrenamt ordiniert werden würde. Dies aber war die erste Ordination, die in Stainz stattfinden sollte und geschah zu der Zeit, da Hermann Miklas Statthalter der Evangelischen Kirche in der Steiermark war.

Da machte sich auch auf Hans-Eckart Maurer mit seinem vertrauten Weibe Sabine, die aber war nicht schwanger.

Und sie gingen hinein nach Stainz, da sie beide zur Evangelischen Pfarrgemeinde gehörten.

Denn es kam die Zeit, da diese Ordination stattfinden sollte.

Und Hermann Miklas stand am Altar und sagte: Fürchtet euch nicht!

Und Sabine Maurer erlebte ihre erste Ordination, bekam die Hände aufgelegt und da sie keine Krippe brauchte, stieg sie auf die Kanzel, denn das war nun ihr Platz in der Kirche, die aber war vollständig besetzt.

Denn mit ihr waren auch andere Menschen in die Kirche gekommen, die schon ganz aufgeregt waren. Aber von der Kanzel verkündete ihnen Sabine Maurer das Wort: Euch ist heute eine weitere Pfarrerin zugeteilt worden, und dieser Gottesdienst ist das Zeichen dafür. Und alsbald stimmten die anderen mit ein in das Lob und sangen: Wohl denen die da wandeln vor Gott in Heiligkeit.

Und als Sabine Maurer das von der Kanzel verkündet hatte, sprachen die Menschen untereinander: Gut, dass wir hergekommen sind, denn wir hätten die Zeichen sonst nicht gesehen.

Und sie gingen hin und verkündeten es allen, die nicht dabei gewesen sind.

 

Andreas Gerhold

„Vom Ehrenamt“ – aus der Ansprache von SI M.Mag. Hermann Miklas zur Amtseinführung v. Pfarrerin Mag. Sabine Maurer

Ordination ins Ehrenamt von Mag. Sabine Maurer

am 25. Mai 2014 in der Friedenskirche Stainz

Aus der Ansprache von SI M.Mag. Hermann Miklas

Liebe festliche Gemeinde, vor allem aber liebe Sabine Maurer!

Wir alle spüren, dass heute ein ganz besonderer Tag – für die Gemeinde ebenso wie für Sabine Maurer selbst. Gleichzeitig aber mögen sich viele von Ihnen fragen: Was ist denn eigentlich eine „Ordination ins Ehrenamt“?IMG_6399

Lassen Sie mich dazu etwas ausholen. In früheren Jahrhunderten, da war die Sache ziemlich einfach. Da hat es auf der einen Seite nur Pfarrer gegeben (sogenannte Geistliche) gegeben – und auf der anderen Seite das Volk, die sogenannten Laien. Das griechische Wort „laios“ heißt ja bekanntlich das „Volk“. Die Pfarrer waren stets hauptamtlich in der Kirche angestellt. Die Laien hingegen konnten sich in verschiedenen Bereichen der Gemeinde ehrenamtlich engagieren. Und sie haben sich aus ihrer Mitte eine Gemeindevertretung und ein Presbyterium gewählt, sodass des Volkes Stimme in der Kirche auch wirklich zum Tragen kommt. So standen Geistliche und Laien in gewisser Weise einander gegenüber.

Seit dem 20. Jahrhundert allerdings kennt unsere Kirche auch Lektor/inn/en. Das sind Gemeindeglieder, die aufgrund ihrer bewährten Mitarbeit vom Presbyterium beauftragt werden, auch bestimmte gottesdienstliche Aufgaben in der Gemeinde wahrzunehmen. Um dafür kompetent zu werden, besuchen sie verschiedene diözesane und gesamtkirchliche Aus- und Weiterbildungsmodule. Dennoch bleiben Lektor/inn/en ihrem Wesen nach weiterhin Laien, in einigen deutschen Kirchen werden sie sogar ausdrücklich „Laienprediger/innen“ genannt. Sie sind ehrenamtlich tätig und ihr Dienst ist grundsätzlich auf die eigene Gemeinde bezogen. Er muss auch in jeder neuen Funktionsperiode vom Presbyterium immer wieder neu bestätigt werden. Lektor/inn/en haben unsere Kirche enorm bereichert, mit großer Dankbarkeit sei ihr wertvoller Dienst an dieser Stelle erwähnt!

Pfarrer/innen im Ehrenamt jedoch sind voll ausgebildete akademische Theolog/inn/en, die auch ordnungsgemäß berufen, also „ordiniert“ sind. Nur, dass sie ihr geistliches Amt nicht hauptberuflich ausüben, sondern daneben noch einem bürgerlichen Brotberuf nachgehen. Sie sind reguläre Pfarrrer/innen unserer Kirche mit allen Rechten und Pflichten. Wie andere Pfarrer/innen auch haben sie von Amts wegen Sitz und Stimme im Presbyterium, sind Mitglied der diözesanen Pfarrkonferenzen und sind auch berechtigt, in der Öffentlichkeit den Titel „Pfarrer“ bzw. „Pfarrerin“ zu tragen – nur dass sie eben nicht auf der Liste der Gehaltsempfänger unserer Kirche stehen.

In den meisten Fällen zeichnet sich der Weg zum ehrenamtlichen Pfarramt übrigens nicht schon in der Jugendzeit ab, sondern ergibt sich erst aus dem Verlauf der späteren Lebensgeschichte. In ganz Österreich gibt es dzt. etwa zehn Pfarrer/innen im Ehrenamt. Nur eine davon in der Steiermark – Barbara Lazar, doch sie ist vor wenigen Jahren bereits als ordinierte Pfarrerin aus Wien nach Graz gekommen. Der erste (und bislang einzige) in der Steiermark ordinierte Pfarrer im Ehrenamt war der legendäre Grazer Religionspädagoge Prof. Heimo Begusch (verstorben 1996). Du, liebe Sabine, bist nun also die zweite, die in unserer Diözese ins Ehrenamt ordiniert wird. Und Dein diesbezüglicher Weg hierher hat einen geradezu klassischen Verlauf genommen.

Dein Berufsziel war es von Jugend an, Pfarrerin zu werden. Auf dieses Ziel hin hast Du in Göttingen, Tübingen, Erlangen und München Theologie studiert. Gemeinsam mit Deinem Mann hat es Dich dann aber zunächst einmal für einige Zeit in die USA verschlagen und später hierher in die Weststeiermark. Eure beiden Söhne wurden geboren. An ein Vikariat in Deiner deutschen Heimatkirche war vorerst nicht zu denken. Dafür wurdet ihr nach und nach hier heimisch und Du hast begonnen, Dich in der Evangelischen Kirche in der Steiermark zu engagieren. Du wurdest Gemeindevertreterin, Presbyterin und von 2002 – 2011 Kuratorin der Pfarrgemeinde Stainz-Deutschlandsberg. 1992 hast Du in Wien dann die Lehrbefähigung für den Religionsunterricht für Höhere Schulen in Österreich erworben und unterrichtest seither mit großem Engagement an diversen Höheren Schulen in Deutschlandsberg, Leibnitz und Graz. Du warst auch an Lehrplanentwicklungen beteiligt.

Dein theologisches Lebensthema aber ist mehr und mehr der christlich-jüdische Dialog geworden. 2004 hast du das Seminar „Holocaust in Education“ in Yad Vaschem/Israel besucht. Seither hat Dich das Thema nicht mehr losgelassen. Und seit 2008 bist Du nun allseits anerkannte Vorsitzende des Grazer Komitees für christlich-jüdische Zusammenarbeit und warst auch Gründungs-Obfrau des Vereins „Gedenkkultur“ in Graz. Es ist ein besonderes Zeichen der Wertschätzung, dass heute auch HR Dr. Heinz Anderwald von der jüdischen Kultusgemeinde nach Stainz zu Deiner Ordination gekommen ist!

Lange Zeit hast Du immer wieder einmal mit dem Gedanken gespielt, gewissermaßen das Vikariat nachzuholen und doch noch hauptberufliche Pfarrerin zu werden. Doch irgendwie sollte es nicht sein. Für uns ein Vorteil, denn auf diese Weise bist Du uns in der Weststeiermark erhalten geblieben. Und wir haben die Freude und Ehre, heute Deine Ordination ins Ehrenamt feiern zu dürfen. Zielpunkt eines langen Weges für Dich, vor allem aber Doppelpunt für das, was nun noch vor Dir liegt. Dazu wünschen wir Dir Gottes reichen Segen!

Predigt im Gottesdienst anlässlich der Ordination ins Ehrenamt am 25. Mai 2014 in der Friedenskirche in Stainz, Mag.a Sabine Maurer

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen

Wir hören die Lesung aus dem Johannesevangelium, die Grundlage der Predigt ist. Dort heißt es im 4. Kapitel, in den Versen 28-30.39.41-42.:

28 Die Frau ließ ihren Wasserkrug stehen und ging weg in das Dorf und sagte zu den Leuten:

29 Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe, ob dieser nicht der Messias ist?

30 Sie gingen aus dem Dorf hinaus und kamen zu ihm.

39 Viele aus dem samaritanischen Dorf glaubten an ihn wegen des Wortes der Frau, die bezeugte: Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe.

41 Und noch viel mehr glaubten an ihn wegen seines Wortes.

42 Der Frau sagten sie: Wir glauben nicht mehr nur wegen deiner Rede, denn ihn selbst haben wir gehört und wir wissen: Dieser ist wirklich der Erlöser der Welt.

Der Herr gebe uns ein Herz für sein Wort und ein Wort für unser Herz. Amen.

 

Liebe Festtagsgemeinde!

Es ist wahr, dass alle Christen Priester sind, aber nicht alle sind Pfarrer.

Und ich füge dem Satz von Martin Luther hinzu: Es ist wahr, dass alle Christen Priesterinnen sind, aber nicht alle sind Pfarrerinnen.

Dieser Satz verwirrt zunächst. Und wenn wir an das Christentum denken, dann zeigt sich eine anderes Bild: So sind beispielsweise in der römisch-katholischen Schwesterkirche nicht alle Priester, und schon gar nicht Priesterinnen. Und in den evangelischen Kirchen gibt es weder Priester noch Priesterinnen. Der 2. Teil des Satzes stimmt dann schon eher: Nicht alle sind Pfarrer oder Pfarrerin. Allerdings gibt es Pfarrerinnen in der evangelischen Kirche noch nicht seit allzu langer Zeit.

1919 stellte der damalige Pfarrer unserer Gemeinde in Stainz einen Antrag im Presbyterium: Man möge der evangelischen Theologin Olga Lau-Tugemann das Abhalten von Gottesdiensten übertragen. Doch zu dieser Zeit durften Frauen in Österreich noch nicht einmal evangelische Theologie studieren, das wurde ihnen erst 1928 erlaubt und es dauerte noch sehr lange, bis Frauen mit den gleichen Rechten und Pflichten in den Dienst als Pfarrerinnen in die Evangelische Kirche aufgenommen wurden. Erst 1980 war es so weit. Und so lehnte das Presbyterium damals den Antrag des Pfarrers ab, Frau Lau-Tugemann Gottesdienste halten zu lassen, sicher auch deswegen, weil es dafür keinerlei kirchenrechtliche Grundlage gab.

Doch theoretisch hätte vor 95 Jahren hier auf dieser Kanzel schon eine Frau stehen können.

Mit Luther könnte man für die Zeit vor dem 2. Weltkrieg, zumindest was Österreich betrifft, sagen: Nicht alle Christen sind Pfarrer, und keine einzige Christin Pfarrerin.

Aber vergessen wir nicht den ersten und wichtigeren Teil unseres Satzes: Alle Christen sind Priester und Priesterinnen.

Was ist überhaupt ein Priester?

In der Regel meint man damit eine Amtsperson, die in ihrer Eigenschaft als Vorsteher kultischer Handlungen eine Mittlerrolle zwischen jeweiliger Gottheit und den Menschen einnimmt. Bezogen auf das Christentum bestreitet Martin Luther die Notwendigkeit eines Priesters als Mittler und bezieht sich dabei auf das Neue Testament: Christus allein ist der Mittler und durch die Taufe sind alle zu Priestern und Priesterinnen geweiht. Alle Getauften haben Anteil am Priestertum Christi. D.h. sie bringen ihre Anliegen im Gebet vor Gott und umgekehrt die Anliegen Gottes zu den Menschen, indem sie das Evangelium weitergeben. Luther bezeichnet dieses Verhältnis der Glaubenden zu Christus daher auch als einen „fröhlichen Wechsel“ zwischen ihnen beiden.

Was sich für uns vielleicht sehr theoretisch und abgehoben anhört, hat doch auch heute noch eine Bedeutung. Denn es geht es um nichts weniger als um die Frage: Wie wollen wir unser Christsein verstehen und leben? Was bedeutet es, dass wir Getaufte sind? Und was folgt daraus für die Rolle eines Pfarrers, einer Pfarrerin in ihrem Verhältnis zur Gemeinde? Oder anders gefragt: Wenn nach evangelischem Verständnis alle Christen Priester und Priesterinnen sind, wozu braucht es dann einen Pfarrer oder gar eine Pfarrerin im Ehrenamt?

Machen wir einen Gedankensprung und kommen zu unserer biblischen Erzählung, aus der wir zu Beginn einige Verse gehört haben. Im Mittelpunkt steht eine Frau, eine Samaritanerin, deren Name uns nicht überliefert ist. Samaritaner bewohnen das Gebiet Samaria im damaligen Palästina in der römischen Provinz Syria. Sie sind eine Gruppe innerhalb des Judentums, werden aber von ihresgleichen als nicht zugehörig abgelehnt. Ein Grund dafür ist, dass sie sich mit Nicht-Juden, den assyrischen Eroberern, vermischt haben. Zudem haben sie ihr religiöses Zentrum nicht im Jerusalemer Tempel, sondern auf dem Berg Garizim in Samaria.

Sehen wir uns einmal das Bild an, das in Ihrem Gottesdienstblatt auf Seite 3 abgebildet ist:

TitelbildHier sehen Sie die Samaritanerin und die Samaritaner auf der rechten Seite des Bildes. Sie werden mit gestreifter Kopfbedeckung dargestellt und unterscheiden sich dadurch deutlich von Jesus und seinen Jüngern, den Juden, auf der linken Seite des Bildes.

Die Samaritanerin spricht am Brunnen mit Jesus auf Augenhöhe. Diese Szene steht im Zentrum. Zwischen den beiden befindet sich der Jakobsbrunnen, hinter dem ein Baum mit drei Zweigen hervorwächst. Auf der rechten Seite wendet sich die Samaritanerin den Dorfbewohnern zu. Ihre Handbewegung verdeutlicht, dass sie ihnen eine Botschaft überbringt. Offensichtlich hat sie durch das Gespräch mit Jesus etwas erkannt, das sie nun an andere weitergibt.

Worum ging es in dem Gespräch am Brunnen? Zunächst um den bisherigen Lebensweg dieser Frau. Fünf Männer hat sie gehabt und der Mann, mit dem sie jetzt zusammenlebt, ist nicht ihr Mann.

In den Auslegungen dieser Geschichte wird das oft als ein moralisches Versagen der Frau aufgefasst. Dabei wird die soziale Wirklichkeit übersehen, der Frauen in dieser Zeit ausgeliefert waren. So wie auch unser Leben durch äußere Umstände geprägt wird, die wir uns nicht auswählen können: Unsere Eltern, die sozialen Verhältnisse, in die wir geboren werden, die politischen Tatsachen, die unser Leben bestimmen, Vorgesetzte, Kollegen und Kolleginnen, die auf unser Leben Einfluss nehmen.

Anders als heute hatte eine Frau der damaligen Zeit keine andere Möglichkeit als durch Eheschließung das Leben zu bestehen. Starb der Mann oder ließ er die Ehe scheiden, dann musste sie einen anderen Mann heiraten, um nicht dem sozialen Tod ausgeliefert zu sein. Das führte oft dazu, dass Frauen sog. Kettenehen eingehen mussten. Das Schicksal dieser Frau ist also kein selbstgewähltes, sondern durch die gesellschaftlichen Verhältnisse fremdbestimmtes. Jesus aber rügt sie nicht für ihr bisheriges Leben, sondern er erkennt an, dass sie sich ihm zeigt, wie sie ist, wer sie ist und was ihr Leben ausmacht. „Du hast die Wahrheit gesagt“, antwortet ihr Jesus. Kein Vorwurf, keine Beschönigung, einfach nur: Ja, so ist es. Du stehst zu dem, was war und ist. Das findet meine Anerkennung.

Welch eine Befreiung, einmal nichts vortäuschen, nichts zurückhalten zu müssen von den Seiten des Lebens, die zu zeigen mit Scham verbunden sind! Zur Wahrheit des eigenen Lebens stehen, ohne andere für die Enttäuschungen unseres Lebens verantwortlich machen zu müssen. Es so zu akzeptieren, wie es eben war und dadurch jetzt ist: Wie bedeutend oder unbedeutend, wie erfolgreich oder erfolglos, wie gelungen oder wenig gelungen im Ganzen oder in einzelnen Bereichen auch immer es uns selbst erscheint.

Aber so einfach ist das ja nicht. Es braucht viel Vertrauen. Die Frau erkennt im Angesicht Jesu die Wahrheit ihres Lebens und steht dazu. Das ist auch das Erste, was sie den Menschen im Dorf mitteilt: Kommt, seht den Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe.

Seht den Menschen! Am Brunnen begegnet die Samaritanerin Jesus, einem Menschen, der sie sieht, ihr An-sehen gibt und so kann sie sich auch selbst ansehen. Der Brunnen, nicht nur Ort der Begegnung, sondern auch der Selbsterkenntnis. Wer in den Brunnen schaut, sieht in der Wasseroberfläche sich selbst. Das ist wohl der Grund dafür, dass im Hebräischen das Wort für Quelle und für Auge dasselbe ist: ajin. Sich selbst in die Augen schauen zu können. Dazu braucht es Mut. Die Samaritanerin findet diesen Mut durch ihre Begegnung mit diesem Menschen, mit Jesus.

Aber es bleibt nicht bei dieser Selbsterkenntnis allein: Auch Jesus gibt sich zu erkennen, zeigt sich der Frau als der, der er ist. Als die Samaritanerin vom Messias spricht, den sie wie die Juden auch, erwartet, sagt Jesus zu ihr: „Ich bin es, ich, der mit dir spricht.“ Da ließ die Frau ihren Wasserkrug stehen und ging in die Stadt und sagte zu den Leuten: Kommt und seht den Menschen. Ist dieser nicht etwa der Messias?

Beide Erfahrungen, die befreiende Selbsterkenntnis und die Überzeugung, dem Messias, begegnet zu sein, treiben die Frau hinaus zu den Leuten. Im biblischen Text heißt es: „Viele aus dem samaritanischen Dorf glaubten an ihn wegen des Wortes der Frau“ (V. 39). Sie glauben ihr und glauben deswegen, dass dieser Mensch am Brunnen der Messias ist. Eine wichtige Unterscheidung: Jemandem glauben und an jemanden glauben. Die Samaritaner können an Jesus als den Messias glauben, weil sie zuerst der Frau geglaubt und vertraut haben.

Kommen wir auf unsere Frage zurück: Wozu braucht man Pfarrer und Pfarrerinnen? Ich denke, dass sich in der Erzählung von Jesus und der Samaritanerin am Brunnen insgesamt drei Antworten darauf finden lassen:

Erstens: Der Weg zum Glauben geht über eine Person, der man glauben kann, der man vertraut. Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, dann war das genau so: Diakonissen, also Frauen einer evangelischen Schwesterngemeinschaft, waren die ersten, die mich im Kindergottesdienst mit biblischen Erzählungen bekannt machten. So wie sie die Geschichten aus der Bibel erzählten, berührte es mich als kleines Mädchen. Und so ging ich gerne jeden Sonntag in die Stadtkirche in Bad Hersfeld, wo ich aufgewachsen bin. Später war es dann Dekan Horst Dickel, der mir vermitteln konnte, wie Glaube und Erwachsensein, Glaube und Vernunft zusammengehen. Hier in Deutschlandsberg war es dann Frau Dr. Ruth Moser – manche von Ihnen kannten sie noch – ohne sie hätte ich den Weg in diese Gemeinde wohl kaum so gefunden. Und so könnte ich noch weitere Personen nennen, die alle dazu beitrugen, dass mein Glaube immer wieder neu geweckt, gestärkt und sich weiter entwickelt hat.

Diese Personen waren nicht alle Pfarrer oder Pfarrerinnen, sondern Menschen, die aus ihrem Glauben lebten und dadurch auf mich und andere eine Wirkung hatten. Alle waren also im Sinne Luthers Priester und Priesterinnen.

Alle Christen sind Priester, und auch alle Pfarrer und Pfarrerinnen sind Priester und Priesterinnen, und zwar aus dem einzigen Grund, weil sie auf Christus Getaufte sind. Durch ihren Beruf stehen sie zwar mehr in der Öffentlichkeit und ihre Glaubwürdigkeit stärker auf dem Prüfstand. Aber für uns alle gilt: Das, was wir sagen, wird nie unabhängig von unserer Person gehört. Das ist auf der einen Seite eine große Chance, auf der anderen Seite aber auch eine große Herausforderung. Es zeigt, wie sehr die Glaubwürdigkeit der Botschaft von der Glaubwürdigkeit der Person abhängt. Ich nehme das als Mahnung mit: Wir tragen den Schatz des Evangeliums in irdenen Gefäßen!

Zweitens: Die Samaritanerin bezieht die Menschen, denen sie die Botschaft sagt, in ihre Betroffenheit und ihr Nachdenken mit ein: Kommt und seht den Menschen, ob dieser nicht der Messias ist? Die Frau ruft die Einwohner Samarias dazu auf, der Frage selbst nachzugehen: Kommt und seht selbst: Ist er nicht etwa der Messias? Das ist doch etwas ganz anderes, als wenn sie behauptet hätte: Kommt und seht den Menschen. Er ist der Messias! – So möchte ich meinen Auftrag als Pfarrerin sehen: Kommt, seht, ob dieser Jesus, von dem die Bibel erzählt, der Messias ist. Ich möchte dazu anregen und beitragen, dass wir uns mit den biblischen Texten auseinandersetzen und Fragen stellen, ihnen nachgehen und uns nicht mit vorschnellen Antworten zufrieden geben. Denn Priestersein im Sinne Luthers bedeutet, dem Inhalt des Glaubens nach-zudenken und ihn selbstständig vor Gott verantworten zu können.

Und eine dritte Beobachtung aus der Erzählung: Die Einwohner von Samaria sagen zur Frau: „Wir glauben nicht mehr nur wegen deiner Rede, denn ihn selbst haben wir gehört und wir wissen: Dieser ist wirklich der Erlöser der Welt. Durch dich waren wir motiviert, mit Jesus selbst zu sprechen und ihm zuzuhören. Jetzt haben wir selbst erkannt, worauf du uns hingewiesen und worauf du uns neugierig gemacht hast. – Die Samaritanerin kann das als Bestätigung dafür sehen, dass ihre Art und Weise, den Menschen die Botschaft zu überbringen, voll aufgegangen ist.

Wir sind heute angewiesen auf das Wort, wie es uns in der Bibel überliefert ist. Und so sehe ich es als meine Aufgabe, die Neugier und das Interesse am Wort Gottes zu wecken, damit es uns allen zum Wort des Lebens wird.

Davon spricht auch der Psalm, den wir zu Beginn des Gottesdienstes gemeinsam gebetet haben. Nicht nur hier werden das Wort Gottes, die Weisung des Herrn, mit dem Wasser, dem Symbol des Lebens, in Verbindung gebracht: So heißt es im ersten Psalm: „Wohl denen, die ihre Lust haben an der Weisung des HERRN und sinnen über seiner Weisung Tag und Nacht. Die sind wie ein Baum, an Wasserbächen gepflanzt: Sie bringen ihre Frucht zu ihrer Zeit, und ihre Blätter welken nicht. Alles, was sie tun, gerät ihnen wohl.“

Das zeigt auch unser Bild. Schauen wir es zum Schluss noch einmal an: Ein Brunnen mit vier Ausbuchtungen, aus dem ein Baum mit drei Zweigen hervorwächst. Die Zahl vier steht hier für die Welt, und die Zahl drei für das Göttliche. So haben die damaligen Künstler zum Ausdruck gebracht, dass der Brunnen mit seinem Wasser für das Wort, die Weisung Gottes steht, das zwar von Menschenhand aufgeschrieben wurde, aus dem aber göttliches Leben hervorwächst. Der Brunnen mit seinem Wasser als Symbol für das Wort Gottes. Kann man sich ein schöneres Symbol dafür vorstellen?

Und so möge es auch für uns sein: Trinken wir von diesem lebendigen Wasser des Wortes, wie es uns in der Bibel überliefert ist, seien wir nun Priester oder Priesterinnen und Pfarrer oder Pfarrerinnen oder beides!

Jesus, der Christus, gibt uns sein Wort. Wir können ihm vertrauen, wenn er sagt:

Alle, die von dem Wasser trinken, das ich ihnen gebe,
werden bis in Ewigkeit nicht mehr durstig sein,

ja das Wasser, das ich ihnen geben werde,

wird sogar in ihnen zu einer Quelle sprudelnden Wassers für das ewige Leben werden. Amen.